Auf Sicht und ohne Vision

Wo sehen Sie sich in 5 oder 10 Jahren? Jeder kennt diese Frage und die meisten kennen auch ein paar gute Antworten darauf. Aber was ist, wenn sie sich auf das Land in dem wir leben bezieht: Wo sehen Sie Deutschland in 5 oder 10 Jahren? Oder gar in 20? Globalisierung, demographischer Wandel, Automatisierung und Digitalisierung, ein etwas ins straucheln geratenes europäisches Projekt usw. Dies alles schüttelt uns dieser Tage ganz schön durcheinander. Unternehmen, Politik, der Mensch aus dem reichen Stadtteil ebenso wie die Verkäuferin im Supermarkt. Was ist unser Platz in der Welt, wie wollen wir wirtschaften, wie wollen wir leben, wie wollen wir zusammenleben? Die Zeiten sind vorbei, in denen Kinder sicher sein konnten, dass es ihnen besser geht als ihren Eltern. Die Wachstumsraten der Vergangenheit sind wirklich Vergangenheit. Unsere Ressourcen vermehren sich nicht von Geisterhand. Menschen kommen ins Land und bleiben, weil sie flüchten müssen oder einfach, weil sie Arbeit suchen in einem beileibe nicht an Arbeitsplätzen armen Land.

Angela Merkel hat einmal auf einer Veranstaltung zu einer von Flüchtlingen verängstigten Frau geantwortet: Angst ist kein guter Ratgeber. Auch in der Beantwortung der Frage, wo wir hinsteuern wollen nicht. Doch scheint genau diese Angst zum Treiber unserer Politik geworden zu sein, auch bei Merkel – wenn man sich den CDU-Parteitag in dieser Woche anschaut. Dass uns die Angst herumtreibt und nicht durch eine positive Vision vertrieben wird, hat mit der jahrelangen Praxis der Regierung Merkel zu tun: Wo keine Visionen existieren, kann auch kein positiver Blick in die Zukunft gelingen. Tief in uns eingeschlichen hat sich die Vorstellung, dass Politik eine Machen kleiner Schritte, ein Fahren auf Sicht ist. Merkel hat in der Flüchtlingskrise etwas gewagt, ohne aber vorher den Unterbau geschaffen zu haben: Nämlich einen festen Zukunftsoptimismus.

In der aktuellen Spiegel-Ausgabe findet sich ein schönes Interview mit dem langjährigen SPD-Wahlkampfmanager Frank Stauss (dessen Buch „Höllenritt Wahlkampf“ ich wärmstens empfehlen kann). Er ruft die SPD auf sich der großen Themen der Zeit anzunehmen und sich als Fortschrittspartei zu präsentieren: „Heute muss sie darüber diskutieren, wie das moderne, soziale und erfolgreiche Deutschland in zehn Jahren aussehen soll. Und dabei muss sie Zukunftsoptimismus ausstrahlen.“ Das können sich alle Parteien notieren. Wir müssen der Behäbig- und Gestrigkeit des Moments eine neue Vision entgegensetzen und Antworten auf die Fragen zu Beginn liefern. Wir müssen diejenigen vor uns weg treiben, die mit Angst, Panik und einfachen Antworten Erfolge feiern. Das einzige, was diese Gruppe zu bieten hat ist der heimelige Wunsch nach Gestern, aber Antworten auf überzeugende Antworten für die Zukunft geben sie nicht. Angst ist eben kein guter Ratgeber!

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