Information statt Repression

Schon wieder ließ die Polizei im Jungbusch eine Unterkunft mit menschenunwürdigen Zuständen hochgehen: Im Kellerraum, ohne Tageslicht und richtige Belüftung schliefen die Menschen, mit offenen Kabeln und kaum Fluchtmöglichkeiten im Falle eines Feuers . Es ist nicht das erste Mal, dass Überbelegung, Mietwucher und Steuervergehen im Quartier sichtbar werden. Zum Vorschein kommen nicht nur die Machenschaften von Personen, die sich auf Kosten der Neuankömmlinge in der Stadt  illegal bereichern, sondern auch die Furcht der in solchen Wohnungen lebenden Personen vor Repression, der Polizei, den Behörden.

Quelle: Stadt Mannheim

Der Jungbusch und die Neckarstadt-West sind die ersten Viertel, in denen Menschen aus anderen Ländern Zuflucht und Heimat finden. Damit stehen sie als Blaupause für die anderen Stadtteile, was Probleme, aber auch was Lösungen anbelangt. Daher muss es im Interesse der Stadt sein, in beiden Stadtteilen funktionierende Strukturen zu haben, um mit dem verstärkten Zuzug der Vergangenheit, aber auch der Zukunft zurechtzukommen. Mittlerweile leben rund 6000 Menschen vor allem aus Bulgarien, aber auch aus Rumänien in Mannheim, welche in den letzten Monaten aufgrund prekärer Situationen in ihren Ursprungsländern mit Hoffnungen auf Arbeit und ein besseres Leben hierher kamen. Wenn im Januar 2014 die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien gilt könnte sich der Zuzug noch verstärken. Momentan dürfen bulgarische oder rumänische Arbeitnehmer eine Beschäftigung nur mit einer Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsberechtigung-EU oder Arbeitserlaubnis-EU) ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen. Daher drängt die Zeit Defizite zu analysieren und abzubauen und Strukturen und Einrichtungen aufzubauen bzw. zu stärken, damit die  in den letzten Monaten ohnehin nicht einfache und spannungsgeladene Situation in den Stadtteilen vollends ins Negative gerät. Von der Ende 2011 gegründeten verwaltungsinternen Arbeitsgruppe Südosteuropa ist dazu leider bislang wenig zu hören oder zu lesen.

In einer Resolution der grünen MandatsträgerInnen in Mannheim, welche sich momentan in der redaktionellen Endabstimmung befindet, sprechen wir uns gegen Repressionen und für ein umfasendes Integrationskonzept für die Zugezogenen aus. Zustände  wie die oben geschilderten zeigen, wo Repression angebracht ist: Bei den Personen im Hintergrund, welche mit der Not der Menschen Kasse machen wollen, indem sie Schlafplätze für 200 Euro und mehr vergeben. Vor diesem Hintergrund ist es gut zu sehen, dass die Polizei diese Aktivitäten genau beobachtet und auch Anregungen aus der Bevölkerung nachgeht. In der Resolution fordern wir dagegen ein Konzept von der Stadt, welches bei Schulen, bei der Gesundheitsvorsorgen, beim Arbeitszugang und bei den Wohnbedingungen ansetzt.

Wir müssen aber meiner Meinung nach weiter gehen, als von der Stadt und der Verwaltung ein fertiges Konzept zu fordern. Wir müssen mit grünen Ideen konstruktiv vorangehen und inhaltliche Vorarbeit leisten. Mir zeigen solche „Enthüllungen“ und die Erfahrungen aus den Straßenversammlungen, dass Information über Rechte und Pflichten, über Spielregeln und gewisse Verhaltensgrundsätze unablässig sind. Hier wird meiner Meinung nach zu wenig gemacht: Es gibt Willkommenspakete für Studenten, warum gibt es die wichtigen Infos nicht für Neu-Zugezogene in deren Sprache: Wann und wo muss ich mich anmelden? Welche Frist gilt bei der Autoummeldung? Wo ist die Arbeitsagentur, wo ich eine Arbeitserlaubnis bekomme? Wie funktioniert die Müllabfuhr? Was für Rechte habe ich gegenüber dem Vermieter? Ein solches FAQ war ein Vorschlag bei der Straßenversammlung, seit längerem schwebt mir darüber hinaus eine Willkommensseite (www.neu-in-ma.de oder ähnlich) mit verschiedenen Sprachoptionen und angepasster Verständlichkeit vor. Dies kann eine Maßnahme eines Konzepts bzw. einer Strategie sein; ein Bausteil, um Problemen, Streitigkeiten und Verunsicherung vorzubeugen.

Oft wird als Argument gegen ein Integrationskonzept genannt, man etabliere eine „Willkommenskultur“, die nur noch mehr Menschen anlocke. Es müsse daher gelten die Bedingungen möglichst unattraktiv zu halten. Ein ziemlich kurzer Blick, denn so fahren wir das Zusammenleben an die Wand: Es muss darum gehen Integration zu fördern, Barrieren abzubauen, Miteinander leben zu ermöglichen, aber natürlich auch gleichzeitig nicht eine maßvolle und behutsame Zuwanderung aus dem Blick zu verlieren. Nur: Als Stadt ist man insbesondere an erstgenannter Stelle gefragt, daher muss für Mannheim der Fokus genau dort liegen. Ein Versiegen oder eine Verringerung des Zuwanderungsstr0ms lässt sich nicht durch Nichtstun, geschaffene Barrieren oder eine Nicht-Willkommenskultur ermöglichen, sondern nur über Impulse und Verbesserungen in den Herkunftsländern. Dort ist die EU gefragt, in Mannheim geht es aber darum zu integrieren: Wenn uns die Erfahrungen aus über 30 Jahren Migration in Deutschland  etwas zeigt, dann doch, dass Nichtstun und Abwarten genau die falsche Devise ist. Denn die Menschen werden bleiben, die Frage ist nur, ob wir mit ihnen oder neben ihnen leben, arbeiten, wohnen werden.

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