Wenn der Karl den Karl überholt

Mannheim hat ein Problem: Es kann sich nicht entscheiden. Zwei Karls, zwei Erfindungen, zweimal in Mannheim; doch welchen soll man höher leben lassen, welcher von beiden Erfindungen soll man eher Vorzug auf den Mannheimer Straßen und Wegen lassen? Die Rede ist zum Einen vom Fahrrad, welches von Karl Drais erstmals 1817 bei einer Ausfahrt von Mannheim nach Schwetzingen benutzt wurde. Zum anderen ist es das Auto, welches 1885 von Karl Benz erfunden wurde und drei Jahre später gesteuert von seiner Frau Bertha auf die erste Fernstrecke von Mannheim nach Pforzheim geschickt wurde. Im letzten Jahre wurde in Mannheim mit einer gigantischen Laser- und Musikshow am Wasserturm der 125. Geburtstag des Automobils geradezu zelebriert – 1886 reichte Benz das Patent für sein dreirädriges Gefährt ein. In fünf Jahren dann das nächste Jubiläum: 200 Jahre Erstfahrt der Draisine. Eine Stadt, zwei weltbewegende Erfindungen: Doch ist Mannheim nun mehr Fahrrad- oder mehr Autostadt?

Wer im Moment eine Runde per Auto, Fahrrad oder zu Fuß durch Mannheim dreht wird auf die Antwort schnell kommen: Autos stehen in den Quadraten entweder (vor allem zur Rushhour oder am Wochenende), weil es vom Ring zurückstaut oder die Ampel an einigen sensiblen Stellen mal wieder Rot zeigt, oder sie parken links, rechts, manchmal auch an den Ecken, nicht selten auf Fußgänger- und Fahrradwegen. Die Luftqualität ist in der Innenstadt nicht die beste, auch wegen der vielen Vierräder, die sich ihren Weg durch die Straßen am besten bis vor das Geschäft suchen. Dabei nicht hilfreich ist auch, dass viele Parkhäuser sich in den Quadraten befinden – Autoflut hausgemacht!

Doch die Zeichen stehen gut: Wie im gestrigen Mannheimer Morgen zu lesen plant die Stadt umfangreiche Investitionen in den Radverkehr. Das Radwege-Netz soll mit insgesamt 700 000 Euro aus- und umgebaut werden. Auch der politisch umstrittene Umbau der Bismarckstraße vom Schloss zum Hauptbahnhof soll angegangen werden: Von 300 000 Euro Planungsmitteln fließen zwei Drittel diesem Abschnitt. Damit es dort aber nicht mit langsamem Tempo weitergeht, muss weiter Druck gemacht werden. Es wird neue Abstellanlagen geben, so beispielsweise in der Schwetzingerstadt/Oststadt oder an der Arena und weitere Fahrradstraßen werden eingerichtet. Bis zum Katholikentag im Mai soll darüber hinaus zusammen mit Heidelberg und Ludwigshafen ein Mietverleih in Grundzügen bestehen, der von der deutschlandweit tätigen Firma Nextbike betrieben wird. Verwaltungstechnisch wird alsbald auch eine neue Planer-Stelle verantwortlich für Radverkehr ausgeschrieben und besetzt werden und auch nach außen soll sich Mannheim zukünftig als fahrradfreundliche Stadt präsentieren. So hat sich Mannheim beispielsweise bei der Imagekampagne der Landesregierung beworben und rechnet sich bei der Vergabe gute Chancen aus. Vieles nun präsentierte schließt sich an das 21-Punkte-Programm für mehr Radverkehr an, welches 2009 einstimmig vom Gemeinderat beschlossen wurde. Ziel ist es den Radverkehrsanteil bis 2020 auf 20% zu erhöhen.

Doch Fahrradstreifen, Fahrradstraßen und ein Verleihsystem sind nicht alles, um dieses Ziel zu erreichen: Ein Autofahrer wird nur umsteigen, wenn er dem Zweirad einen höheren Nutzen sieht: Dabei steht der Umweltschutz nicht bei allen an oberster Stelle, sondern vielmehr Faktoren wie Kosten, Zeit (beinhaltet Flexibilität) und Stress (beinhaltet Sicherheit). Intensivere Kontrollen von Polizei und Ordnungsdienst in für Parkverstöße besonders auffälligen Straßen sind unabdingbar. Ebenso gibt es in Mannheim, beispielsweise am Marktplatz in Richtung Schloss, Straßen mit engen Radstreifen. Diese gilt es zu vergrößern, auch wenn dabei die Parkreihe zum Opfer fallen muss. Ziel muss es sein einen Standard für Radwege mittelfristig umzusetzen: Fahrradwege sind in Mannheim auf Straßen, auf Fußgängerwegen oder ganz separiert. Meiner Meinung nach gehören Fahrräder nicht auf Gehwege, sondern auf die Straße, klar farblich getrennt und mit genügend Raum. Denn Fahrradfahrer müssen auf Augenhöhe mit Autofahrern stehen, und nicht als Gefahr für Fußgänger angesehen werden. Wenn man dies durchzieht, müssen auch Ampelanlagen mittelfristig fahrradfreundlich gestaltet werden, wie dies in Berlin und vielen anderen Städten bereits der Fall ist. In geöffneten Einbahnstraßen müssen Schilder oder Bodenmarkierungen an besonders schwer einsehbaren Stellen die Autofahrer darauf aufmerksam machen, in beide Richtungen zu schauen. Gang und Gebe in der Quadratestadt ist ebenso, dass bei Baustellen Fahrradspuren einfach geopfert und aufgehoben werden: Gute Fahrradpolitik sieht anders aus. Wenn bei Baustellen Fahrradspuren betroffen sind muss eine Lösung gefunden werden, bei der auch Radfahrer nicht alleine auf der „Auto“-Straße stehen gelassen werden. Bei der Kostenseite kommen einige Vorschläge in den Kopf, von erhöhten Parktarifen bis zur Citymaut. Denkschablonen sind hier wenig hilfreich, denn es gilt das Ziel einer lebenswerteren Stadt für BürgerInnen und BesucherInnen im Blick zu behalten.

Es gibt viele gute Gründe für das Umsteigen, und es gibt ebenso viele gute Gründe für Städte in mehr Rad- und weniger Autoverkehr zu investieren. Auch Mannheim wird diesen Weg gehen, wie der Kommentar im Mannheimer Morgen richtig feststellt:

Denn das Fahrrad ist weit mehr als nur das umweltfreundliche, gesundheitsfördernde und kostengünstige Verkehrsmittel schlechthin. Es ist das Statussymbol einer modernen, urbanen Gesellschaft. Deswegen ist es höchste Zeit, dass Mannheim, die autogerechte Stadt der 1960er und 70er Jahre, sich als Fahrradstadt neu erfindet.

Doch es ist noch ein weiter Weg zu radeln, bis Mannheim als radgerechte Stadt in fünf Jahren den 200. Geburtstag des Patents begehen kann. Der erste Aufschlag ist gemacht, weitere müssen folgen. Doch die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger müssen nicht nur investieren, sie müssen vor allem überzeugen. Im Rahmen der Umgestaltung des Kaiserrings zum Boulevard sind bereits kritische Stimmen zu hören, die ein weniger an Parkflächen zu Gunsten neuer Radwege nicht akzeptieren wollen, wie es der Erste Preis zur Umgestaltung vorsieht. Ob die Stadt es mit der Fahrradfreundlichkeit wirklich ernst meint, wird sich bei diesen und anderen Gelegenheiten zeigen.

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