Das Semester ist fast schon in den letzten Zügen, nur noch drei Vorlesungswochen bis Anfang Dezember der Lehrbetrieb an der CUHK wieder ein Ende findet (und damit auch der offizielle Teil meines Auslandssemesters – wie die Zeit verfliegt). Die Midterms sind bereits hinter mir, da fasse ich schon die Final Papers ins Auge. Da ich im Dezember für zwei Wochen nach Seoul und Taiwan fliege und eine weitere Woche freudigen Besuch aus Seoul haben werde bleibt mir nur der November zu Schreiben von fünf Papern zu je 10-20 Seiten. Bei den derzeitigen Wetteraussichten (Regen bei 17-22 Grad) bin ich guter Hoffnung dies mit ein wenig Fleiß und Konzentration zu schaffen.
Es hat sich herauskristallisiert, dass einer meiner Schwerpunkte Umweltpolitik in China sein wird. Da dies ein Thema mit aktueller Bedeutung ist (siehe Artikel aus Spiegel Online hier (CO2) und hier (Luftverschmutzung) und hier (Bodenverseuchung) aus der letzten Woche) und ebenso – meine Meinung – ein brennendes Thema in der Zukunft für die Welt, aber auch für die Innenpolitik in China sein wird, werde ich meine Erkenntnisse, Ergebnisse und Schlussfolgerungen hier im Laufe der nächsten Wochen beschreiben (was den Vorteil hat, endlich auch mal wieder etwas in deutsch zu schreiben). Im Moment ist allerdings noch Literatursuche und die Sichtung erster Quellen angesagt, weshalb noch etwas Geduld (die Tugend der Forscher) angesagt ist.
Mit dem Eindruck, in ein Land von ungehemmten Ressourcenhunger und rücksichtslosem Ausstoß von Treibhausgasen und Giftbrühen zu reisen, kommt wohl nahezu jeder westliche Besucher, der wenig von China kennt, in das Reich der Mitte. Auch ich. Dass China eine umfangreiche Umweltgesetzgebung besitzt und einen großen Teil (weitaus größer als Deutschland, die USA oder andere westliche Staaten) des selbst aufgelegten Konjunkturprogramms während der weltweiten Finanzkrise 2008 in Maßnahmen in Zusammenhang mit Umweltschutz investierte ist kaum bekannt – Nachrichten wie oben verlinkt oder vom Blockieren von Klimaschutzverhandlungen scheinen besser anzukommen. Umso erstaunlicher mit Menschen in Hong Kong zu reden: Oft werden die abweichenden Wetterlagen in den vergangenen Jahren in Zusammenhang mit dem Klimawandel gebraucht, fahren die obersten Herren (Pardon, es sind wirklich nur Herren!) mit kleinen Fahrzeugen vor und rühmt sich meine Universität damit den Weg zu einem „Green Campus“ zu beschreiten. Muss ich mich mit meiner westlichen Überheblichkeit beherrschen und eingestehen, dass wir etwas lernen können? Ein Blick auf die Performance der der Chinese University of Hong Kong.
Ohne Zweifel war mit der Gründung der Universität Ende der 1960er Jahre erst einmal ein großer Einschnitt in die Natur verbunden: Direkt am und auf einem Hügel außerhalb des Zentrums gelegen mussten große Teile des Berges weggesprengt und abgetragen werden, um Raum für Lehrgebäude und Colleges zu erhalten. Auf einem vorher unberührten grünen Berg erwuchsen nun hohe Gebäude, wurden Straßen angelegt und Hänge aus Angst vor Rutschen während eines Taifuns mit grauem Beton zugekleistert. Umweltbewusstsein scheint erst nach zahlreichen Expansionen Ende der 90er Jahre an der CUHK erwachsen zu sein: Im Jahre 2000 veröffentlichte sie ihren ersten Umweltbericht, der 2006 in einen Nachhaltigkeitsbericht überführt wurde. Leider nicht mehr erfasst werden von dem Bericht seitdem die Aktivitäten der mittlerweile neun Colleges, der Unterkünfte für die Mitarbeiter und privat betriebenen Kantinen. Bei mehreren Tausend Studierenden, welche in den Hostels der Colleges wohnen und über 6000 Mitarbeitern leider ein Einschränkung der Aussagefähigkeit dieses Berichts.
Administrativ gibt es mehrere Organe, die sich um den Umweltschutz auf dem Campus kümmern: Das Committee on Campus Environment ist neben der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts damit beauftragt das Umweltbewusstsein zu fördern und Handlungsanleitungen für die Exekutivebene der Universität zu erstellen. Das Campus Planning Committee ist für den Entwicklungsplan der Universität verantwortlich (bspw. wurde im vergangenen Jahr ein Antrag auf Erweiterung des Geländes gestellt, um zukünftig expandieren zu können): Zwei Untergruppen – das Steering Committee on Campus Master Planning (SCCMP) und das Campus Landscaping Enhancement Committee (CLEC) beschäftigen sich mit dem Design des Masterplans und der Einbettung in die Umgebung und Natur auf dem Campus. Daneben arbeiten diese Organe auch mit anderen Universitätsorganen zusammen, bspw. der Transport Unit oder dem Estates Management Office.
Was hat sich aber nun in den vergangenen 11 Jahren seit dem ersten Bericht positiv entwickelt und welche Einsparungen wurden erreicht? Um 30 % konnte der Stromverbrauch reduziert werden, indem LED-Lichtsysteme installiert wurden, Thermostate eingebaut wurden und Halogenlampen ersetzt wurden. Für alle IT-Produkte wird eine Stand-By-Strategie gefahren, um unnötigen Verbrauch zu reduzieren. Trotzdem ist mein Eindruck, dass immer noch viel zu viele Computer 24 Stunden laufen und so Unmengen an Strom fressen. In allen Bibliotheken und vielen anderen Stellen des Campus wurden Bewegungsmelder installiert, dazu Bushaltestellen (die Universität unterhält aufgrund des hügeligen Campus‘ ein eigenes kleines Busnetz) mit Solarzellen ausgestattet. Die von der Uni unterhaltenen Fahrzeuge werden regelmäßig gewartet, jedoch scheinen die Fahrer nicht in spritsparender Fahrweise geschult worden zu sein. Newsletter und Benachrichtigungen werden seit Anfang des Jahres per Email verschickt, jedoch sind die Scannmöglichkeiten schlecht bis nicht vorhanden. Immer noch werden viel zu viele Artikel und Buchauszüge ausgedruckt. In den neu gebauten Gebäude werden strengere Standards gesetzt als bisher, so wurde ein bereits in Nutzung befindliches Gebäude für seinen geringen Energieverbrauch ausgezeichnet. Auch wird neuer Landverbrauch durch Baumpflanzungen an anderer Stelle ausgeglichen. Großer Vorteil der CUHK ist die perfekte Erreichbarkeit mit der MTR: Ein sehr großer Teil der Studenten kommt mit dem ÖPNV, ein kleiner Teil mit dem Fahrrad zum Campus. Dank einer eigenen Station und dem angeschlossenen universitären Bussystem ist alles bequem und kostenlos zu erreichen. Positiv auch, wie du Uni Umweltschutz gegenüber den Studierenden promotet. Mit Aufstelltafeln, Schildern und Flyern (leider nicht auf Recyclingpapier) werden in verschiedenen Bereichen Tipps, Ratschläge, Ziele und bisherige Erfolge präsentiert. Zu einer guten Policy gehört aber auch eine gute Überwachung: Die Universität unterhält eigene Luftmesstationen auf dem Campus, und auch die Wasserqualität der Flüsse und Seen wird regelmäßig überprüft.
Die bereits angeklungen Kritik kann natürlich noch um einige Punkte ergänzt werden: So ist Mülltrennung noch weit davon entfernt der Standard an der Uni zu sein. Zwar gibt es vereinzelt mehrere Mülleimer, aber Papiertonnen oder Behälter für Plastik sind noch eine rare Ausnahme. Auf dem ganzen Campus sind offene Mülleimer ohne Tüten, je nach Inhalt können mehr oder minder schädliche Stoffe bei ein wenig Regen oder einer eingeworfenen halb vollen Cola in den Boden tropfen. Zwar sind in den Toiletten große Zeichen mit dem Aufdruck „Save the Planet, Save Water“ doch nebenan rauscht die Spülung immer noch automatisch 24h durch die Urinale. Mit regenerativer Energie kann man in Hong Kong leider noch nichts anfangen: Der meiste Strom kommt aus Kohlekraftwerken im Mainland, so dass zwar die Energieeinsparung in den letzten Jahren honoriert werden muss, aber auch angeprangert werden kann, dass die CUHK als größter Konsument in der Gegend immer noch einen gewaltigen Fußabdruck hinterlässt. Während neue Gebäude strengen Standards unterworfen werden, brummen die alten Klimaanlagen der betagten Gebäude weiterhin vor sich hin. Hier ist bei einer zukünftigen Renovierung nicht nur auf Erhalt des Status Quo, sondern auf Verbesserung zu pochen.
Was können wir bzw. eine deutsche Universität – lernen? Hervorzuheben ist, dass Umweltschutz an der CUHK institutionalisiert ist. Auch wenn das Komitee nur Empfehlungen geben kann ist es eine eigene Einrichtung an der Universität, die alles in Zusammenhang mit Klimaschutz unter Augenschein nimmt. Die Frage, wie stark der Einfluss von Empfehlungen und Berichten auf die letztlich Politik der Universität ist kann hier an dieser Stelle natürlich leider nicht beantwortet werden. Dennoch – entgegen dem generellen Bild – sind an der CUHK Bemühungen zu sehen. Umweltschutz scheint von Anfang an mitgedacht zu werden und nicht erst in einem späteren Prozessschritt eingespeist zu werden. Es wird versucht die Studierenden mitzunehmen und das Bewusstsein zu schärfen. Dies ist meiner Meinung nach in Mannheim zu wenig der Fall. Zwar werden auch dort Solarzellen auf Dächer montiert, jedoch brennen dort auch dauerhaft von morgens 8 Uhr bis nachts um 0 Uhr die Lampen in den Bibliotheken, ohne dass jemand durch die schmalen Regalgänge geistert. Auch auch dort brennen viele Drucker und Computer tagein tagaus in Standby. Einfach mal Stecker raus! Es sind diese kleinen, oft nicht einmal kostenintensiven Schritte, zusammen mit der Schaffung eines Bewusstseins für das Problem und für die Lösungen, die oft entschiedene Schritte auf dem Weg zu einem wahren grünen Campus bringen. Die CUHK ist auf einem guten Weg, doch können wir alle voneinander miteinander noch viel lernen.