Von nebeligen Bergen und rauchenden Bremsen

Ich versuche das hier jetzt ohne Uebertreibung zu schreiben, aber es wird sich genau danach anhoeren. Zunaechst mal das Unspektakulaere: Wir sind heil in Viralimalai angekommen, der Einsatzstelle von Olga. Ich sitze nun hier in einem wunderbar grossen Haus aus roten Backsteinen, an einer Tastatur die deutsch aussieht aber englisch ist (deshalb habe ich 10 Minuten gebraucht um herauszufinden wie man ein @ macht und nochmal zwei fuer den Doppelpunkt ein paar Zeilen hoeher) und lasse mich vom Ventilator ueber mir etwas kuehlen. Ein paar Schritte durch die Halle wird gerade das Mittagessen vorbereitet, nachdem heute morgen noch die Affen in der Kueche gewuetet haben und sich beim Bananenessen nicht stoeren liessen. In diesem grossen Gebaeude wohnen sechs Kinder aus dem Dorf und aus der Gegend, sechs Studentinnen von ausserhalb und sieben Novizinnen, es gibt eine kleine Kapelle und in dem anderen Gebaeudeteil befindet sich das Naehzimmer, in dem von Frauen und Maedchen aus dem Ort Decken, Taschen und Tischlaeufer hergestellt werden. Morgen werde ich vielleicht ein paar Fotos hochladen und etwas mehr darueber schreiben. Aber eigentlich sollte dieser Artikel ja spektakulaer klingen. Also los.

Wie berichtet machten wir Station in Munnar, einem belebten Touriort in den Bergen. Unsere Bleibe stellte sich in der Nacht als das heraus, was der Anblick am Tag versprach: Ein feuchtes, kaltes, schimmeliges Raeumchen. Und das fuer 400 Rs! In den Bergen wird es nachts ziemlich frisch, laut unserem Rikschafahrer mit dem wir eine Tour durch die Teeplantagen und hoch zum Stausee gemacht haben bis zu 0 Grad. Wenn mich die Kaelte nicht morgens geweckt haette, dann ein Inder, der vor unserem Zimmer staendig und in weithin hoerbarer Lautstraerke sein Racheninneres in seinen Mund bef;rderte und dann mit grosser Befriedigung und Teilnahmer unsererseits in einem Akt wohl hoechster Befreiung (sonst haette er dies nicht den ganzen Morgen gemacht) herausspuckte. Das Wasser war wie zu erwarten kalt, so dass alles passte. Morgens ging es nach einem gute und grossen Masala Dosa und zwei Chai in Gewuerzelaeden, wo ich im Auftrag von Zuhause Safran, Pfeffer, Vanillestangen und nebenbei noch ein paar Geschenke kaufte. Um 12 Uhr zogen wir dann aus an die Bushaltestelle, nur um zu erfahren, dass unser Bus nach Madurai bereits losgefahren ist. Wir nahmen dann auf Ratschlag den Bus nach Teni, um von dort nach Madurai zu fahren, wo wir wiederum den Bus nach Viralimalai nehmen sollten.

Indische Busse sind an sich nicht besonders vertrauenserweckend. Sie sehen aus wie Panzer, schnaufen in unregelmaessigen Abstaenden, quitschen innen wie aussen und haben eigentlich nur 4 Kabel, von denen meist eins den Strom fuer den Fernseher liefert, aus dem Bollywood gruesst. Es ging also hinein in einen vollen Bus, in dem Olga noch ein Platz auf der Motorhaube, die sich im Innenraum neben dem Fahrer befindet und ich einen Stehplatz in Naehe der Windschutzscheibe fanden. 10 Stunden Fahrt lagen vor uns. Es ging durch die Berge und mehrmals auf und ab. Kurz nach dem Start fing es an zu regnen und ich stellte mir lieber nicht die Frage wie viel Profil diese Reifen noch hatten. Es ging durch eine wunderbare Landschaft, auf der einen Seite Teeplantagen noch oben, auf der anderen Seite Teeplantagen nach unten, mehrere hundert Meter. Und wir auf einer Strasse, die nur halb aus Asphalt bestand. Je hoeher wir kamen, desto nebeliger wurde es. Irgendwann setzte ich mich auf den Aluminumboden des Busses, nicht nur weil die Frauen in den ersten Busreihen mir freundlich beipflichteten, auch um die Abgruende die sich neben dem Bus auftaten nicht mehr zu sehen. Es wurde kalt und der Fahrer zog seine Muetze an. Neben ihm blinkte ein Speed Limitation Device die ganze Reise rot auf. Auf seinem Kilometerzaehler stand 000836 km und ich dachte zunaechst der Bus sei schon ueber die Millionen. Spaeter merkte ich, dass der gesamte Tacho nicht funktionierte. Wohl um die Reisenden nicht zu beunruhigen. Wenn es das einzige ist, was an diesem Bus kaputt ist, sollte mir es recht sein. Es ging durch Schlagl;cher und mit Tempo durch die Kurven, entgegenkommenden Fahrzeuge wurde durch Hupzeichen gewarnt, doch einige Male taten sich vor uns auf einer viel zu kleinen Strasse ein viel zu grosser Bus auf. Die Inder sind flexibel in der Fahrtrichtung und so schoben wir uns mal sicher mal leicht neigend entweder links oder rechts aneinander vorbei, waehrend die Mitreisenden aus beiden Bussen den Fahrern immer mal wieder Anweisungen haben. Es muss nicht erwaehnt werden, im Mittelgang neben mir noch viele weitere Inder standen, die wie alle anderen Einheimischen im Bus das Spektakel entweder schlafend oder sehr entspannt vorueberziehen liessen. Berg runter ging es auch, ca. anderthalb Stunden durch Serpentinen, die wie fuer den Radius des Buses gemacht schienen. Es sit ein merkwuerdiges Gefuehl, wenn man vor sich durch die Windschutzscheibe nur noch einen ungefaehr 300 Meter tiefen, friedlich/gruenen Abhang sieht, umrahmt von hohen nebelbehangenen Bergen. Aber der Sensemann ist kein Inder. Gas geben! Die naechste Kurve ist weiter entfernt als es erscheint. Der Fahrer fuhr mit Flip/Flops und ohne Servolenkung, aber mit staendigem Gemurmel , ein Gebet,  ein Lied, der Fahrplan, wer weiss… Unten angekommen begruesste uns erst der merkwuerdige Geruch von sich aufloesendem Metall, bevor dicke Rauchschwanden hochzogen. Es wurd kurz angehalten, der Fahrer rief etwas und weiter ging es, ohne dass etwas gemacht wurde. Bremsen braucht man im Flachen ja nicht, ausser wenn Ziegen oder Kuehe die Strasse blockieren. Solange die Hupe funktioniert. In Indien geht es immer weiter.

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